Stellungnahme der VEE Sachsen e.V. zum TV-Beitrag „Der Kampf um die Windräder“

Freitag, 05. August 2016 - 15:10
VEE Sachsen e.V.

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STN Der Kampf um die Windraeder.jpgDer VEE Sachsen e.V. begrüßt eine objektive und umfassende Berichterstattung, welche Missstände aufdeckt. Es bleibt jedoch mehr als fraglich, ob der TV-Beitrag „Der Kampf um die Windräder“, ARD 01.08.16, 21:45 Uhr, einer solchen gerecht wird.

Emotionalisierung, skandalisieren, pauschalisieren - eigentlich ein Grundmuster privater Boulevardmedien - wird hier im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zelebriert. Im gesamten Beitrag werden jeweils Einzelfälle als symptomatisch für eine ganze Branche dargestellt. Zudem werden politische Prozesse um wichtige Entscheidungen wie das EEG skandalisiert, die in der parlamentarischen Praxis absolut üblich sind.

Der Beitrag hinterlässt den Eindruck, die Nutzung von Windkraft sei generell schlecht und würde lediglich Einzelinteressen dienen. Eine differenzierte und ausgewogene Berichterstattung wird vermisst, vielmehr entsteht der Geschmack, dass nur gesendet wurde, was in das Konzept der Sendung passte. Die Stellungnahme des BUND, welcher im Film mehrfach Erwähnung findet, unterstreicht dies.*1

Wichtig wäre es gewesen, zunächst einmal darzustellen, warum es die Energiewende überhaupt gibt und welche Herausforderungen uns in Anbetracht der Klimaerwärmung erwarten.

Die Nutzung der Windkraft dient der Energiewende

Die Nutzung der Windkraft als erneuerbare Energie ist ein gesamtgesellschaftliches Ziel, nicht zuletzt auch zur Einhaltung der Pariser Klimabeschlüsse.

Soweit einzelne Entscheidungen zu Standorten von Windkraftanlagen von Einzelinteressen unter Umgehung gesetzlicher Vorgaben und Verfahren bestimmt sind, ist dies zu verurteilen. Entscheidungen zur Errichtung von Windkraftanlagen müssen bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und Verfahren immer von Aspekten der Ökologie und Ökonomie getragen sein.

Wenn einzelne Personen, wie im Film behauptet, anders handeln, ist dies jedoch nicht der Nutzung der Windkraft an sich anzulasten. Es ist vielmehr ein generelles Problem, wenn Einzelne nicht ihre Befangenheit erkennen können oder wollen. Hier ist die Rechtsaufsicht der Kommunen gefordert.

Der Gesetzgeber berücksichtigt im neuen EEG 2016/17 Bürgerenergiegenossenschaften bevorzugt, was letztlich auch der gesamten Kommune und ihren Bürgern zugutekommt. Von Einzelinteressen kann gerade auch bei solchen Windenergieanlagen keine Rede sein.

Windenergie und Artenschutz

Vor der Errichtung einer Windenergieanlage wird ein aufwendiges und komplexes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Im Rahmen dieses Verfahrens wird auch geprüft, ob die zu errichtende Windenergieanlage den Artenbestand beeinträchtigen könnte. Die sorgfältige Standortwahl ist dabei entscheidend.

Von Naturschutzverbänden wird die Windenergie als flächen- und energieeffizienteste Form regenerativer Energiegewinnung betrachtet und deren weiterer Ausbau begrüßt. Berechnungen des Bundesamtes für Naturschutz haben ergeben, dass durch den Klimawandel bis zu 30 % der in Deutschland vorkommenden Arten bedroht sind. *2

Der kontinuierliche Ausbau der Erneuerbaren Energien unter Einbeziehung der Windkraft ist gelebter Klimaschutz und damit auch Artenschutz.

Lebenshaltung und EEG-Umlage

Kritisch ist auch die Berichterstattung über die junge alleinerziehende Mutter zu bewerten. Warum wird nicht die Frage gestellt, welche gesamtgesellschaftlichen und sozialpolitischen Entscheidungen in Deutschland dazu geführt haben, dass auch mit 2 Jobs nur reichlich 1.000 Euro monatlich zum Leben zur Verfügung stehen? Ein Problem der Nutzung der Windkraft ist dies gewiss nicht.

Richtig ist, dass mit der EEG-Umlage die Privat-Verbraucher, abhängig vom eigenen Verbrauch, direkt an der Umlage der Kosten der Erneuerbaren Energien beteiligt werden. Industrielle Großkunden sind von dieser Umlage meist ausgenommen.

Die Betrachtung der EEG-Umlage kann sinnvollerweise nur im Gesamtkontext erfolgen. Berechnungen zur Frage, was Strom wirklich kostet, kommen da zu erstaunlichen Ergebnissen bei den konventionellen Energieträgern wie Kohle und Atomkraft:

„Die konventionellen Energieträger verursachen in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt Zusatzkosten in Höhe von jeweils 40 Milliarden Euro. Das ist doppelt so viel wie im EEG-System an Differenzkosten für Erneuerbare auf die Verbraucher umgelegt wird.“*3

Bevor die EEG-Umlage als Preistreiber verteufelt wird, wäre es sicher angebracht, zu vergleichen, in welcher Höhe konventionelle Energieformen bislang gefördert wurden:

„Die Fördersummen für die einzelnen Energieträger (Anteil Stromerzeugung) belaufen sich im Zeitraum 1970 bis 2014 auf folgende Werte (real):

Atomenergie 190 Mrd. Euro
Steinkohle 186 Mrd. Euro
Erneuerbare* 85 Mrd. Euro
Braunkohle 69 Mrd. Euro

*) Erneuerbare Energien profitieren erst seit Mitte der 90er Jahre von nennenswerten Förderungen.“*3

Die Förderung der konventionellen Energien fällt damit in etwa fünfmal so hoch aus wie die Umlage der Kosten der Erneuerbaren Energien.

In Anbetracht der Erderwärmung und der damit verbundenen Folgen, an den unterzeichneten Klimavertrag von Paris sei an dieser Stelle erinnert, sollte eine Betrachtung der EEG-Umlage immer im Kontext zu den Fördersummen der konventionellen Energieträger erfolgen.

Pariser Klimaabkommen und Ausbau der Erneuerbaren Energien

In dem TV-Beitrag kommt der energiepolitische Sprecher der CDU zu Wort, welcher unwidersprochen erklärt, man läge beim Ausbau der Windenergie weit über Plan.

Das soeben beschlossene EEG 2016/17 sieht einen Anteil erneuerbaren Stromes von 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025, von 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035 und von wenigstens 80 Prozent im Jahr 2050 vor.

Soll das 1,5 Grad-Ziel der Pariser Klimabeschlüsse erreicht werden, muss die Verbrennung fossiler Energieträger jedoch bis ca. 2040 komplett (!) eingestellt werden und die gesamte (!) Energieversorgung, also neben Strom auch Wärme und Verkehr,  in diesem Zeitraum vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden.*4

Um den Pariser Klimaschutzverpflichtungen gerecht zu werden, muss das derzeitige Tempo der Energiewende und damit der Umstieg auf erneuerbare Energien um den Faktor vier bis fünf gesteigert werden.*4

Davon zu sprechen, wir lägen beim Ausbau der Windenergie „im Plan“, kann angesichts der Erderwärmung und der Pariser Klimabeschlüsse nur als verfehlt qualifiziert werden.

EEG-Gesetzgebungsverfahren

Im TV-Beitrag wird behauptet, der Entwurf zum EEG 2016 sei gleich an mehreren Stellen verändert worden und der Ausbau der Windkraft an Land nach Mai 2016 „plötzlich wieder nach oben geschraubt“.

Dies ist so nicht richtig. Im April 2016 wurde der Referentenentwurf*5 der anstehenden EEG-Novelle vorgelegt. In diesem hieß es zunächst zum Ausbau der Windenergie an Land:

„Die Ziele sollen erreicht werden durch eine Steigerung der installierten Leistung der Windenergieanlagen an Land um bis zu 2 500 Megawatt pro Jahr netto, …“

Im Gesetzesbeschluss*6 vom 08. Juli 2016 heißt es dann:

„Die Ziele  [..] sollen erreicht werden durch [..] einen jährlichen Brutto-Zubau von Windenergieanlagen an Land mit einer installierten Leistung von 2.800 Megawatt in den Jahren 2017 bis 2019 und  2.900 Megawatt ab dem Jahr 2020, ...“

Der Referentenentwurf spricht mithin von einem Netto-Zubau, während der Gesetzesbeschluss von einem Brutto-Zubau spricht.

Der Netto-Zubau errechnet sich aus dem Brutto-Zubau, also dem Zubau neu installierter Anlagen abzüglich des Abbaus von bereits bestehenden Anlagen.

Im Jahr 2014 wurden rund 365 MW abgebaut und im Jahr 2015 rund 195 MW.*7 Der durchschnittliche Abbau von bestehenden Anlagen betrug damit in den letzten beiden Jahren rund 280 MW.

Der vom Gesetzgeber angestrebte Ausbauwert von 2.500 MW netto und 2.800 MW brutto unterscheidet sich damit kaum. Es bleibt ein Rätsel welcher Einfluss hier zugunsten der Nutzung der Windkraft erfolgt sein soll. Tatsächlich könnte sich die letztlich getroffene Regelung, welche auf den Brutto-Zubau abstellt, abhängig vom Umfang des Abbaus von Alt-Anlagen, als deutlich schlechter erweisen, als die zunächst angedachte.

Fazit

Die Art der Berichterstattung ist zu kritisieren. Qualitätsjournalismus würde auf eine ausgewogene Berichterstattung achten und den gesamtgesellschaftlichen Rahmen, hier insbesondere die Hintergründe des Erfordernisses der Energiewende, einbeziehen.

Windkraft hat neben den anderen erneuerbaren Energien wie Solarenergie, Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie einen entscheidenden Anteil an der dringend erforderlichen Energiewende.

 

Dresden, 05.08.2016

• Version 1.0 - Stand: 05.08.2016 •

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Verweise & Quellen

*1 BUND-Einschätzung zum Filmbeitrag "Exclusiv im Ersten: Der Kampf um die Windräder" vom 1.8.2016 (PDF)

*2 Andreas v. Lindeiner, Windkraft und Vogelschutz (PDF)

*3 „Was Strom wirklich kostet, Vergleich der staatlichen Förderungen und gesamtgesellschaftlichen Kosten von konventionellen und erneuerbaren Energien“, Kurzfassung (PDF), Langfassung (PDF), Factsheet (PDF)

*4 Volker Quaschning, Sektorkopplung durch die Energiewende, Anforderungen an den Ausbau erneuerbarer Energien zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele unter Berücksichtigung der Sektorkopplung

*5 Referentenentwurf, EEG 2016/17, 14.04.2016 (PDF)

*6 Gesetzesbeschluss, EEG 2016/17, Drucksache 355/16, 08.07.2016 (PDF)

*7 Status des Windenergieausbaus an Land in Deutschland, 2014 (PDF) und 2015 (PDF)