Die bundesdeutsche Energiepolitik der letzten Jahrzehnte war geprägt von einem Axiom, das retrospektiv als eine der gravierendsten strategischen Fehleinschätzungen der Nachkriegsgeschichte bewertet werden muss: die Annahme, dass eine tiefe wirtschaftliche Verflechtung mit der Russischen Föderation, insbesondere im Energiesektor, nicht nur ökonomische Vorteile durch günstige Importpreise garantiere, sondern auch als friedenssicherndes Instrument („Wandel durch Handel“) fungiere. Diese Doktrin, die ihren Ursprung in der Ostpolitik der 1970er Jahre hatte und im Bau der Nord-Stream-Pipelines gipfelte, kollabierte faktisch am 24. Februar 2022 mit dem Beginn der russischen Vollinvasion in der Ukraine. Die Bundesrepublik sah sich gezwungen, in einer bis dato beispiellosen Geschwindigkeit ihre Energieversorgung zu diversifizieren, um die als Waffe eingesetzte Abhängigkeit von russischem Gas zu überwinden.
In diesem Kontext wirken die politischen Interventionen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) wie ein Anachronismus, der nicht nur die geopolitischen Realitäten der Gegenwart negiert, sondern aktiv eine Restauration jener Abhängigkeitsverhältnisse fordert, die Deutschland erst in die Krise des Jahres 2022 geführt haben. Kretschmers Postulat, nach einem hypothetischen Waffenstillstand unverzüglich zur Abnahme russischer Rohstoffe zurückzukehren, stellt nicht nur eine moralische Bankrotterklärung gegenüber den europäischen Partnern dar, sondern – und dies ist der Fokus dieser Analyse – eine fundamentale Gefährdung der zukunftsorientierten Wirtschaftsstruktur Deutschlands und insbesondere des Freistaates Sachsen.