Klimaneutrales Sachsen bis 2032

Mittwoch, 02. Dezember 2020 - 06:00
VEE Sachsen e.V.

VEE Sachsen e.V.
VEE-Positionspapier vom 01.12.2020

Inhalt:

  1. Pariser Klimaabkommen und das 1.5 Grad Ziel!

  2. Warum die Einhaltung des 1.5 Grad Zieles wichtig ist?

  3. Welches CO2-Buget verbleibt zur Einhaltung des 1.5 Grad Zieles?

  4. Strombedarf bei Dekarbonisierung in allen Sektoren.

  5. Notwendiger Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien in Sachsen

  6. Warum bleibt die Sächsische Staatsregierung hinter dem notwendigen Ausbaupfad zurück?

  7. Fazit

Das vorliegende Positionspapier der VEE-Sachsen betrachtet die Frage, zu welchem Zeitpunkt Sachsen in allen Sektoren (Energieerzeugung, Wärmesektor und Verkehr) auf eine klimaneutrale Wirtschafts- und Lebensweise umgestellt haben muss, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.

1.      Pariser Klimaabkommen und das 1.5 Grad Ziel!

 

Als Ausgangspunkt für die Betrachtungen ist auf das Übereinkommen von Paris (sog. „Pariser Klimaabkommen“) abzustellen.

 

Das Übereinkommen von Paris ist die erste umfassende und rechtsverbindliche weltweite Klimaschutzvereinbarung und wurde im Dezember 2015 auf der Pariser Klimakonferenz (COP21) geschlossen.

In dem Übereinkommen hat sich die globale Staatengemeinschaft geeinigt auf[1]:

  • ein langfristiges Ziel, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen;
  • das Ziel, den Anstieg auf 1,5°C zu begrenzen, da dies die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde;
  • die Notwendigkeit, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen zu erreichen, wobei den Entwicklungsländern hierfür mehr Zeit eingeräumt wird;
  • dahingehende Anstrengungen, danach rasche Emissionssenkungen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen Emissionen und Abbau herzustellen.

Betont werden soll in diesem Zusammenhang, dass das Pariser Klimaabkommen auf einer breiten Datenlage und klaren wissenschaftlichen Empfehlungen beruht.

2.      Warum die Einhaltung des 1.5 Grad Zieles wichtig ist?

Klargestellt werden muss dabei, dass es um die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles (und eben nicht des 2 Grad Zieles) geht und jede Abweichung darüber hinaus mit entsprechenden Anstrengungen zu vermeiden ist.

So hat der Sonderbericht „1,5 °C globale Erwärmung des IPCC“ von 2018 ausdrücklich vor irreversiblen Folgen, so vor der weiteren Zunahme von Hitzeextremen, Starkniederschlägen und Dürren sowie einer zusätzlichen Erhöhung des Meeresspiegels, gewarnt.[2]

Es gibt erheblichen Grund zur Annahme, dass bereits das 2 Grad Ziel nicht ausreichen könnte, um irreversible Rückkopplungen durch Kippelemente im Erdsystem sicher zu verhindern, die das Erdklima dann in eine Heißzeit überführen würden, deren Temperatur um mehrere Grad über der heutigen Temperatur liegen würde.

Wenn aber Einigkeit darin besteht, dass alle Anstrengungen zu unternehmen sind, das Pariser Klimaabkommen mit seinem 1,5 Grad Ziel einzuhalten, dann müssen die aktuell auf EU-Ebene bzw. Bundesebene bestehenden Ziele und natürlich auch die Ziele des sächsischen Koalitionsvertrages hierauf geprüft werden.

Die jährliche Durchschnittstemperatur in Sachsen ist bereits um 1 Grad Celsius angestiegen und durch Abnahme der Niederschlagsmengen und Zunahme der Verdunstung hat die Trockenheit zugenommen.

Der Klimawandel ist in Sachsen angekommen. Um nur einige der zu beobachtenden Folgen zu benennen:

·        Überdurchschnittlicher Anstieg der Hitzetemperaturen im Sommer, insbes. in den Ballungsgebieten (Großstädten)

·        Zunehmende Trockenheit des Bodens und damit verbunden

o   Ernteausfälle[3]

o   Trinkwasserknappheit, geringere Grundwasserneubildungsrate

o   Abnahme der Biodiversität durch Artensterben und Dominanzveränderungen im Artenspektrum – Auswirkung auf u.a. Bodenfruchtbarkeit

o   Erhöhtes Risiko von Wald- und Flurbränden

o   Waldsterben (z.B. Borkenkäfer)

o   Zurückgehende Möglichkeit der Bewirtschaftung von Gewässern, wie Teiche und Flüsse durch Austrocknen bzw. niedrige Pegel

·        Erhöhter Investitionsbedarf in der Landwirtschaft und Teichwirtschaft aufgrund der Notwendigkeit von Bewässerung

 

Die vorstehende Auflistung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – gibt zunächst nur Beispiele direkter Betroffenheit.

 

Teils weit dramatischer sind die Folgen, welche über die Grenzen von Sachsen, Deutschland bzw. der EU hinausgehen. Dies wiederrum bleibt nicht ohne Folgen für Sachsen, Deutschland bzw. die EU:

 

Auch wenn Ausführungen zum Klimawandel und Klimaschutz meist sachlich nüchtern erfolgen, darf nicht vergessen werden, dass es letztlich um die Verringerung menschlichen Leides geht!

 

Dieses zeigt sich am Beispiel der Trinkwasserversorgung zeigt: Weltweit sind aktuell rund 500 Millionen Menschen davon betroffen, nicht bzw. nicht ausreichend mit Trinkwasser versorgt zu sein. Steigt die globale Erwärmung auf über zwei Grad Celsius, werden zum Ende des Jahrhunderts 3,5 Milliarden (!) Menschen hiervon betroffen sein.[4]

 

Wenn 3,5 Milliarden Menschen zu Klimaflüchtlingen werden - allein aufgrund des Umstandes der unzureichenden Trinkwasserversorgung - bleibt dies nicht ohne Auswirkung auf das – teils fragile – globale Gefüge.

 

3.      Welches CO2-Buget verbleibt zur Einhaltung des 1.5 Grad Zieles?

 

Von Einsparungen zu Beginn der 90er Jahre abgesehen, welche im Wesentlichen auf einen Zusammenbruch der Ostdeutschen Wirtschaft und auf einen Umbau zu (westdeutschen) Standards zurückzuführen sind, stagniert der Rückgang der Treibhausgasemissionen in Sachsen in den letzten 20 Jahren!

 

So war nach der politischen Wende zunächst eine deutliche Reduzierung zu verzeichnen, seit dem Jahr 2000 sind aber keine wesentlichen Einsparungen festzustellen und die CO2-Emissionen schwanken in Sachsen leicht um einen Wert von kurz unter 60 Mill. Tonnen CO2-Äquivalente.

 

Auf die überdurchschnittlichen Einsparungen Anfang der 90er Jahre zu verweisen und dieses als Erfolg von Klimapolitik hinzustellen, wäre verfehlt, da dies vorwiegend auf den Zusammenbruch und Umbau der Ostdeutschen Wirtschaft zurückzuführen ist.

 

Seit mehr als 20 Jahren sind die Maßnahmen der sächsischen Politik zur CO2-Einsparung als völlig unzureichend zu qualifizieren. Dies verwundert letztlich nicht, wenn man die Zubauzahlen der Erneuerbaren Energien in Sachsen in den letzten Jahren betrachtet.

 

Faktisch stagniert die Energiewende in Sachsen!

 

Das eindeutige Bekenntnis der Landesregierung, die Dekarbonisierung durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht nur im Strom - sondern auch im Wärme- und Mobilitätssektor - zügig voranzutreiben, ist die Voraussetzung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat.

 

So hat sich die Firma Tesla ganz bewusst für den brandenburgischen Standort entschieden, da hier auch der deutlich höhere erneuerbare Anteil im Strombezug zur Philosophie des Unternehmens passt. Zukünftig werden auch andere Gewerbebetriebe, beispielsweise Zulieferer im Automobilbau, die „CO2-freie“ Produktion nachweisen müssen. Für diese Unternehmen bietet sich nicht nur ein Standortvorteil durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern eine existentielle Notwendigkeit.

 

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), beratende Institution der Bundesregierung, hat im Mai 2020 sein Umweltgutachten vorgestellt: „Umweltgutachten 2020: Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“.[5]

 

In dem Gutachten heißt es:

„Legt man den deutschen Anteil an der Weltbevölkerung zugrunde und vernachlässigt die historischen Emissionen, beträgt das ab 2020 verbleibende CO2-Budget für Deutschland maximal 6,7 Gigatonnen CO2. Es bezieht sich auf eine maximale Erderwärmung von 1,75 °C mit einer 67%igen Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung. Das deutsche anteilige Budget mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, beträgt 4,2 Gigatonnen CO2 ab 2020.“[6]

Weiter heißt es

„Ein solches deutsches Budget setzt einen engen Rahmen: Lägen auch künftig in Deutschland die CO2-Emissionen so hoch wie im Jahr 2019, wäre das maximale Budget bereits 2029 aufgebraucht. Bei linearer Reduktion müsste Deutschland ab dem Jahre 2038 CO2-neutral wirtschaften, also nicht erst im Jahre 2050. Anhand dieses CO2-Budgets wird deutlich: Die bisherigen deutschen Klima- und Sektorenziele sind nicht ausreichend, um den notwendigen angemessenen Beitrag für die Einhaltung der Pariser Klimaziele zu leisten. Die Emissionsmenge, die sich gemäß der aktuellen Klimaschutzziele ergibt, ist nahezu doppelt so groß wie das vom SRU berechnete Budget. Die deutschen Klimaschutzziele sollten im Einklang mit diesem CO2-Budget konkretisiert und entsprechend verschärft werden.“[7]

Der Sachverständigenrat fordert daher

  • Klimaziele und Maßnahmen an einem Paris-kompatiblen CO2-Budget ausrichten.

  • Die aktuelle Größe des verbleibenden CO2-Budgets Deutschlands offiziell feststellen und fortlaufend begleiten
  • Das verbleibende CO2­Budget für 1,5 °C wäre mit 4,2 Gt CO2 ab dem 1. Januar 2020 deutlich kleiner, die Treibhausgasneutralität müsste früher erreicht werden als 2038

Aufbauend auf dem Ergebnis der Studie aus Mai 2020 des SRU hat sich das Wuppertal-Institut geäußert.

Um das 1,5-Grad-Budget einzuhalten, sind unter der Voraussetzung weltweit gleicher Pro-Kopf-Emissionen CO2-Minderungen von mindestens minus 60 Prozent bis 2025 und mindestens minus 85 Prozent bis 2030 (jeweils gegenüber 1990) erforderlich. Denn entscheidend dafür, die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels erheblich verringern zu können, sind die kumulierten Emissionen. Eine gleichmäßige, lineare Minderung bis 2035 ist dafür allerdings nicht ausreichend (siehe Grafik).“[8]

 

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CO2-Emissionspfad | Die Grafik zeigt den beispielhaften CO2-Emissionspfad zur Einhaltung des deutschen 1,5-Grad-Budgets bis 2035, inklusive des Zielpfads der Bundesregierung.
Quelle: Wuppertal Institut auf Basis des Sachverständigenrast für Umweltfragen (SRU), 2020

 

In ihrer Studie untersuchten die Forschenden des Wuppertal Instituts auf der Basis bestehender Energieszenarien und weitergehender Überlegungen, wie sich CO2-Neutralität besonders in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Gebäude bereits bis 2035 umsetzen ließe. Dafür sind aus ihrer Sicht unter anderem folgende Maßnahmen erforderlich:

 

·        In der Energiewirtschaft müssten die Ausbauziele der Bundesregierung von Wind- und Solarenergie insgesamt mindestens 25 Gigawatt pro Jahr betragen – mehr als eine Verdopplung gegenüber den aktuellen Zielen der Regierung.

·        Insbesondere der Ausbau der Windenergie an Land (Onshore) müsse in Schwung gebracht werden – hier sind nach Ansicht der Forschenden mindestens 7 oder besser 10 Gigawatt pro Jahr erforderlich.

·        Für ein CO2-neutrales Energiesystem ist Wasserstoff – unter anderem für die Stahlerzeugung – unerlässlich. Bisher sieht die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung frühestens 2035 eine Elektrolyse-Leistung von lediglich 10 Gigawatt vor. Für ein klimaneutrales Energiesystem bis 2035 müssten bis dahin allerdings voraussichtlich 70 bis 90 Gigawatt an installierter Kapazität erreicht werden, sofern nicht bereits 2035 klimaneutrale Energieträger in sehr großem Umfang importiert werden können.

·        In einigen energieintensiven Industriebranchen erreicht rund die Hälfte der Industrieanlagen in den kommenden zehn Jahren das Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer.

·        Diese Anlagen müssen durch klimaverträgliche neue Prozesse ersetzt werden, zudem müssen bestehende Anlagen bis 2035 auf nicht-fossile Technologien umgestellt werden, sofern sie weiter in Betrieb bleiben sollen.

·        Zusätzlich muss ein Wasserstoff-Pipelinenetz innerhalb weniger Jahre errichtet werden, da Wasserstoff für viele Industriebereiche den zentralen Schlüssel für die Umstellung darstellt.

·        Damit die klimaneutralen Schlüsseltechnologien einen Preisvorteil gegenüber den konventionellen CO2-intensiven Technologien erreichen, muss der CO2-Preis schon kurzfristig deutlich ansteigen.

·        Zum Schutz gegen die Verlagerung von CO2-Emissionen und zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie ist ein effektiver „Carbon-Leakage-Schutz“ notwendig, also Maßnahmen, die vermeiden, dass CO2-intensive Produktionsverfahren in Länder mit weniger strengen Klimaschutzvorgaben verlagert werden. Zentrale Elemente dafür können Instrumente wie Carbon Contracts for Difference, die zielorientiert Preisdifferenzen überwinden helfen, im Verbund mit oder Produkt- beziehungsweise Klimaabgaben sein.

 

·        Der Verkehr in Deutschland muss für die Zielerreichung CO2-Neutralität bis 2035 erheblich verringert werden. Verantwortlich für den hohen Energiebedarf ist maßgeblich der Auto- und Lkw-Verkehr. Im Vergleich zur Bahn benötigt ein Auto mit Verbrennungsmotor das 4,8-fache an Energie pro Kilometer und Person, ein Lkw sogar das 5,6-fache pro Tonne und Kilometer gegenüber der Güterbahn.

·        Konsequente Maßnahmen für Verkehrsvermeidung und -verlagerung

·        Beschleunigte Einführung alternativer Antriebe, vor allem Elektro-Pkw

·        Signifikant höhere CO2-Preise auf fossile Kraftstoffe als zentrales Anreizinstrument

·        Parallel dazu: Abschaffung klimaschädlicher Subventionen wie Steuerbefreiung von Flugbenzin, Dieselprivileg, Dienstwagenprivileg, Subventionen für Regionalflughäfen, bevorzugter Investitionen in Straßenbau und stattdessen beschleunigter Ausbau von öffentlichem Verkehr, Rad- und Fußinfrastruktur.

 

·        Im Gebäudebereich ist eine massive und nie dagewesene Steigerung der energetischen Sanierungsrate auf eine Höhe von etwa 4 Prozent pro Jahr notwendig – aktuell liegt die Rate bei lediglich rund 1 Prozent.

·        Für die Steigerung der energetischen Sanierungsrate ist ein umfassender Maßnahmenmix notwendig, der etwa von einer verpflichtenden Sanierung beim Immobilienverkauf oder -erbe über eine wirkungsvolle CO2-Bepreisung bis hin zu einer Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive im Handwerk und beschleunigter Einführung innovativer Verfahren wie industrieller Vorfertigung von Sanierungselementen reicht.

·        Heute liegt der Anteil an installierten fossilen Heizungen noch bei fast 80 Prozent, mit der Zielsetzung CO2-Neutralität müsste schon kurzfristig eine Trendumkehr erfolgen. Spätestens in der nächsten Legislaturperiode müsste die Entscheidung getroffen werden, dass keine neuen fossile Heizungen mehr installiert werden dürfen. Stattdessen sollte der Fokus bei neu eingebauten Heizungen zukünftig auf Wärmepumpen liegen.

 

Bei linearer Reduktion ist die Dekarbonisierung im Jahre 2032 abzuschließen!

 

Lediglich bei zunächst überdurchschnittlicher Reduktion würde eine Dekarbonisierung bis zum Jahr 2035 genügen. Da aber nicht erkennbar ist, dass in den nächsten Jahren eine überdurchschnittliche Emissionsverminderung an Treibhausgasen in Sachsen erfolgt, verbleibt es insoweit bei der Notwendigkeit der linearen Reduktion bei 2032.

 

4.      Strombedarf bei Dekarbonisierung in allen Sektoren.

 

Geht man vom Gedanken einer nachhaltigen Energiewende aus, so ist Bestandteil dieser die dezentrale Stromversorgung, das heißt elektrische Energie wird verbrauchsnah erzeugt. Für den zukünftigen Stromverbrauch ist daher allein auf den Bedarf in Sachsen abzustellen.

 

Der aktuelle Bruttostromverbrauch in Sachsen beträgt rund 26.300 GWh/a.[9]

 

Der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellte Strom wird zur wichtigsten Primärenergie werden und es ist aufgrund der Sektorenkopplung mit einem stark steigenden Strombedarf zu rechnen.

 

So wird in der Studie „Klimaneutrales Deutschland“[10] festgehalten:

„Die Bedeutung von Strom nimmt auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft kontinuierlich zu. Strom kann bei vielen Endanwendungen sehr effizient eingesetzt werden. Insbesondere im Verkehr und Wärmemarkt ergeben sich deutliche Vorteile im Vergleich zu Verbrennungsmotoren und Heizkesseln. Die steigende Elektrifizierung und die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff sind die Haupttreiber für den Anstieg des Stromverbrauchs bis 2050 auf etwa 960 TWh. Der Stromverbrauch im Jahr 2050 liegt dann 370 TWh höher als heute. Von dem Anstieg entfallen etwa 160 TWh auf den Verkehr, 130 TWh auf die Wasserstoffherstellung und etwa 70 TWh auf die Industrie.“[11]

Es ist damit – bei Absinken des Primärenergiebedarfes – von einer Steigerung des Stromverbrauches von einem Faktor 1,63 auszugehen.

 

Allerdings ist mit dieser Steigerung nicht bis zum Jahr 2050 zu rechnen, sondern bis zum Jahr 2032, da bis dahin die Dekarbonisierung abgeschlossen sein muss, was in der Studie noch nicht berücksichtigt ist.

 

Im Jahr 2032 wird mithin in Sachsen ein Energiebedarf an Strom in Höhe von rund 42.870 GWh/a bestehen.

 

5.      Notwendiger Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien in Sachsen

Das Zubaupotential von Wasserkraft und Biomasse wird im Vergleich zu Photovoltaik und Windenergie als eher gering eingeschätzt. Die vorhanden Ausbaupotentiale bei Wasserkraft und Biomasse müssen dennoch genutzt werden und es muss dafür Sorge getragen werden, dass der Betrieb bestehende Anlagen konsolidiert wird.

Die Energiewende verlangt eine Diversifizierung und Dezentralisierung der Energiegewinnung. Die Nutzung der Wasserkraft an bestehenden Querbauwerken ist ein wichtiger Baustein und bietet eine wertvolle Ergänzung zu den volatilen Erzeugungsformen aus Sonne und Wind und leistet im Nieder- und Mittelspannungsbereich einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag[12].

Flexible Bioenergieanlagen ermöglichen eine netzdienliche und verlässliche Erzeugung von Strom und Wärme. Im Klimaschutzprogramm des Bundes von 2019 ist ein Kapazitätszubau um ein Viertel geplant.[13] Für Sachsen würde das ein Zubau von ca. 30 MW bedeuten[14]. Wir fordern, dass der Bestand von Bioenergieanlagen in Sachsen gesichert sowie ein moderater Zubau netzstabilisierender, biogener Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ermöglicht wird.

 

image002_0.png

 

In Zahlen stellt sich damit der Strombedarf, der notwendige Ausbaupfad und die tatsächlichen Ziele der sächsischen Staatsregierung dar wie folgt:

 

 

Strombedarf

Wasserkraft

Biomasse

Wind

PV

Anteil EE

Koalition

2019

26.300

183

1.859

2.380

1.930

24,8 %

6.352

2024

32.672

250

1.750

10.110

8.261

62,4 %

10.352

2030

40.319

250

1.750

19.386

15.859

92,4 %

16.352

2032

42.869

250

1.750

22.478

18.391

100,0 %

18.352


(Angaben jeweils in GWh/a, Koalition, 2032: vorgesehener Ausbaupfad linear hochgerechnet)

 

6.      Warum bleibt die Sächsische Staatsregierung hinter dem notwendigen Ausbaupfad zurück?

 

Im Koalitionsvertrag der Sächsischen Staatsregierung – und so wird es sich im Energie- und Klimaprogramm wieder finden – sind Ausbauziele festgehalten wie folgt:

Das EKP soll sich an einem zusätzlichen Ausbau von 10 Terrawattstunden (TWh) Jahreserzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 orientieren. Für 2024 orientieren wir uns an einem Zubau-Zwischenziel von 4 TWh, von dem der Hauptteil durch Windenergie gewonnen werden soll.

Damit zeigt sich aber auch, dass die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziele noch nicht einmal 50 % des Notwendig beinhalten.

 

Rechnet man die Ziele des Koalitionsvertrages für 2024 und 2030 linear auf 2032 hoch, so wird bei steigendem Strombedarf im Jahr 2032 nicht 100 Prozent des Bruttostromverbrauches aus Erneuerbaren Energien stammen, sondern gerade einmal rund 42 Prozent. Das ist ein Defizit von 58%!

 

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Die Ausbauziele der Sächsischen Staatsregierung liegen bei 42 % dessen,
was zur Einhaltung des 1.5 Grad Zieles erforderlich wäre
!

 

7.      Fazit

 

Sachsen kann bis 2032 klimaneutral werden und damit die Ziele des Pariser Klimaabkommen einhalten.

 

Dafür sind allerdings entsprechende Anstrengungen nötig. Sachsen ist im bundesweiten Ranking im Ausbau der Erneuerbarer Energien das Schlusslicht. Die Energiewende in Sachsen unterliegt aktuell nach wie vor einem faktischen Stillstand.

 

Die VEE Sachsen e.V. hat im Dezember 2020[15] einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, welcher Vorschläge enthält, wie der Ausbaustillstand der Erneuerbaren Energien in Sachsen zu beenden ist.

 

Die Ausbauziele der Sächsischen Staatsregierung genügen nicht, um den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen gerecht zu werden.

 

Dresden, 01.12.2020

 


[1] Übereinkommen von Paris, Strategie und Dokumente, https://ec.europa.eu/clima/policies/international/negotiations/paris_de

[2]1,5 °C globale Erwärmung - Der IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Beseitigung von Armut.“, https://www.de-ipcc.de/256.php

[3] Land- und Ernährungswirtschaft 2020, Daten aus dem Berichtsjahr 2019, https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/36445

[4] Die Ergebnisse der Kohlekommission, Dr. Felix Chr. Matthes, Öko-Institut | VEE-Jahrestagung 2019, https://www.youtube.com/watch?v=CV3FXGsqPRA&

[7] Seite 11, ebenda

[8] Studie: Wie Deutschland bis 2035 CO2-neutral werden kann, https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/5169/

[10] Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2020): Klimaneutrales Deutschland. Studie im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität, https://static.agora-energiewende.de/fileadmin2/Projekte/2020/2020_10_KNDE/A-EW_195_KNDE_WEB.pdf

[11] Seite 25 f., ebenda

[12] Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek, Bergische Universität Wuppertal (2018): Netztechnischer Beitrag von kleinen Wasserkraftwerken zu einer sicheren und kostengünstigen Stromversorgung in Deutschland, https://www.wasserkraft-deutschland.de/fileadmin/PDF/Gutachten_Netztechnischer_Beitrag_Kleinwasserkraftwerke.pdf